Die meisten Religionen sehen in moralischer Schuld eine Beschmutzung, eine Verunreinigung. Reinigung des Körpers bedeutet dann symbolisch das Reinwaschen von Sünden. Wasser befreit von dem stofflich vorgestellten Gift der Sünde. Bei den Azteken wurden Neugeborene einem Reinigungsbad unterzogen. Der Priester wandte sich dabei an die "Göttin der fließenden Gewässer" mit den Worten: "... Reinige das Kind von Verunreinigung, die es von seinen Eltern empfangen hat'.  Im alten Ägypten gab es eine Vielzahl kultischer Reinigungsriten. Im alten Indien galt als sicherstes Mittel zur Tilgung der Sünde das Rezitieren gewisser Lieder zusammen mit einem Bad im fließenden Wasser: "O Wasser, traget fort, was irgend Böses und Unrechtes ist in mir, wenn ich ein Leid zugefügt oder wenn ich geflucht habe". Der israelitisch-jüdische  Kulturkreis sowie der Islam kennt umfangreiche Vorschriften über Unreinheit und zur Reinigung durch Waschen mit Wasser.

Fußwaschung in der Moschee

 Auch heute noch besitzt die profane Reinigung mit Wasser nicht selten einen kultischen Charakter.  Dies ist den Betroffenen jedoch nicht bewusst. So weist ein holländischer Religionswissenschaftler darauf hin, dass das "große Reinemachen" der Hausfrauen noch immer einen rituellen Anstrich hat.  Motiv soll nicht selten die Befreiung vom Übel und die Zufuhr des Guten sein. Aber nicht nur Frauen vollziehen profanisierte Reinigungsriten: der Kultgegenstand Auto wird am Ende einer Woche einem Reinigungszeremoniell unterzogen. Auch die Waschmittelindustrie nützt in ihrer Werbung das urtümliche Verlangen nach Reinheit aus, wenn sie im Fernsehen kultisch verkünden lässt, dass dieses Waschmittel nicht nur sauber, sondern "rein' wäscht. Der Monat im alten Rom, der für das große Reinemachen bestimmt war, trägt noch heute seinen Namen nach den Reinigungsmitteln, Februar, von lat. "Februa" = Reinigungs-, Sühnemittel. Reinigungsriten können zwanghaften Charakter annehmen, so der Waschzwang und - harmloser - der "Putzfimmel". Wasser als Reinigungsmittel entfernt nicht nur Schmutz. Es besitzt eine geheimnisvolle Kraft, die sich auch auf das Innere des Menschen auswirkt.

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